Am 28.7.2016 trafen sich Dozentinnen und Dozenten der Fakultät 11 im Rahmen einer Klausur zum Thema „Flüchtlinge“. Die Thematik wurde anhand verschiedener Grundlagentexte zum Thema „Diversität, Intersektionalität und Subjektorientierung“ sowie durch eine Präsentation zum Thema „Hate Speech im Internet – Strategien von Rechts“ aufbereitet und diskutiert. Darüber hinaus wurden aktuelle Diskussionspapiere der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit (DGSA), Sektion Gemeinwesenarbeit, Arbeitsgruppe GWA und Flucht und der BAG Soziale Stadtentwicklung und Gemeinwesenarbeit besprochen.
Im Zentrum der Diskussion stand zum einen die Erkenntnis, dass das Thema Intersektionalität zwar eine Kernthema Sozialer Arbeit ist, aber in der Grundlagenliteratur zu wenig Beachtung findet. So wurde im Rahmen der Dozentinnen und Dozenten auch kritisch diskutiert, ob und wie die Thematik in der Lehre an der Fakultät verankert ist und in welcher Form dieser Thematik mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden könnte. Der von Rudolf Leiprecht in seinem Text zur Diversitätsbewussten Sozialen Arbeit festgestellten leicht positiven Entwicklung von den 1980er Jahren bis in die 2000er Jahre in Fachkreisen, stand die Beobachtung der Dozentinnen und Dozenten gegenüber, dass insbesondere genderbezogene Differenzlinien in den letzten fünf bis zehn Jahren von Seiten vieler Fachkräfte und Studierenden nicht mehr thematisiert, zum Teil sogar negiert würden. Dies spiegele sich auch in den Angeboten der Sozialen Arbeit und in der Fachliteratur.
Die im Internet zu beobachtenden Tendenzen die Meinung der Öffentlichkeit durch gezielte Falschmeldungen, offen aggressive verbale Äußerungen und abwertende Sprache gegen Minderheiten in der Bevölkerung aufzuwiegeln, war ebenfalls Thema auf der Klausur. Zunächst ging es um die Darstellung der Strategien und die vermuteten Ursachen für solche Phänomene wie Hate Speech. Darüber hinaus wurde über die Möglichkeiten auf diese zu reagieren gesprochen. Eine interessante Einsicht war, dass Counter Speech durch Dritte – also den hate speakern fremde Personen – oft nicht den gewünscht Effekt zeigt, sondern manchmal eher das Gegenteil bewirkt. Kommen Fragen, Kommentare und Counter Speech jedoch von Personen, zu denen Bindungen bestehen, können sehr wohl Reflexionen angestoßen werden.
Die Diskussionspapiere und Stellungnahmen der Sektion Gemeinwesenarbeit und der BAG Soziale Stadtentwicklung und Gemeinwesenarbeit wurden unter der Fragestellung diskutiert, ob die spezifische Leistung der Gemeinwesenarbeit für das Thema Flucht und Vertreibung bzw. dem Umgang mit Geflüchteten in den Papieren ausreichend aufgearbeitet worden sind. Viele Bereiche der Sozialen Arbeit leisten einen wichtigen Beitrag zur Integration und Inklusion von Migrant_innen und Geflüchteten. Deshalb wird diese Thematik in der Fakultät 11 vor allem als Querschnittsthema behandelt, welches in allen Bereichen der Sozialen Arbeit – wenn auch in unterschiedlicher Intensität – Berücksichtigung finden muss. Die Diskussion über die Fragen von Intersektionalität und der Umgang mit dieser in der Sozialen Arbeit hat aber gezeigt, dass auch in Bezug auf den Umgang mit Geflüchteten zum Teil Nachholbedarf in der reflexiven Auseinandersetzung mit diesen Themen zu konstatieren ist.
Ein weiteres wichtiges Thema auf der Klausur war die geplante Reform des SGB VIII – auch als Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) bekannt. Seit einiger Zeit wird bereits über die sogenannte „große Lösung“ in Fachkreisen diskutiert, das heißt, dass Kinder und Jugendliche alle Leistungen in Zukunft aus einer Hand bekommen sollen. Dies ist insbesondere für die Gruppe der Kinder und Jugendlichen relevant, die Behinderungen haben. Zurzeit liegt noch kein offizieller Entwurf des zu überarbeitenden KJHGs vor – dieser ist für September 2016 terminiert – aber es gibt bereits erste Vorarbeiten, die publik geworden sind. In Fachkreisen haben die bekannt gewordenen Pläne für große Unsicherheit gesorgt und erhebliche Diskussionen ausgelöst. Zum einen geht es um die Frage, in wieweit die sozialarbeiterischen und sozialpädagogischen Grundsätze nach wie vor die Kinder- und Jugendhilfe prägen werden, zum anderen ob die Finanzierung von Kinder- und Jugendhilfeprojekten in Zukunft stärker über marktwirtschaftliche Mechanismen geregelt werden soll. Große Verwunderung lösten auch die Ankündigungen aus, die Gesetzesreform bereits zum 1.1.2017 in Kraft treten zu lassen. Die Dozent_innen waren sich einig, dass der geplanten Reform eine breite Diskussion in der Öffentlichkeit und insbesondere in Fachkreisen vorausgehen müsse. Diese auch im Koalitionsvertrag festgeschriebene Beteiligung entsprechender Fachkreise ist bisher jedoch ausgeblieben.