Bemerkenswert

Über die AG

cropped-cropped-bildschirmfoto-2016-06-14-um-17-36-142.pngSeit 30.5.2012 trifft sich an der Fakultät 11 regelmäßig eine Arbeitsgruppe „Soziale Arbeit“. Die AG wurde von Kolleginnen und Kollegen gegründet, die ihre theoretischen und praktischen Wurzeln in der Sozialen Arbeit sehen. Sie verfolgen damit das Anliegen, der Sozialen Arbeit in dem sehr heterogenen Kollegium der Fakultät eine deutlichere Stimme zu verleihen. Außerdem sollte die Identitäts- und Habitusentwicklung für die Soziale Arbeit an der Fakultät gestärkt sowie ein Diskursort zu Fragen der Sozialen Arbeit geschaffen werden. Für die Umsetzung fand sich eine Gruppe (Markus Kaufmann, Gunda Sandmeir, Gerd Stecklina), die das Organisatorische in die Hand nahm. Zur Mitarbeit an der AG konnten ca. 15 engagierte Kolleg_innen gewonnen werden, die sich bis heute 3-4 mal pro Semester treffen.

Diese Webseite informiert über Themen und Veranstaltungen der AG.

Ansprechpartner*innen der AG: Birgit, Baumeister, Gunda Sandmeir und Gerd Stecklina

Mehr über die AG: Über die AG

Was heißt denn hier „Transfer“?

„Transfer“ im Sinne von „etwas von Wert übermitteln“, könnte auch so verstanden werden: Die Hochschule übergibt ihre Erkenntnisse und Erfindungen in handlichen Päckchen an die Praxis zur weiteren Verwendung und lehnt sich zufrieden zurück. Und andersherum, die Praxis legt ihre Anliegen auf der Türschwelle der Hochschule ab, in der Hoffnung, man möge sich ihrer annehmen. Nein, so denken wir nicht über Transfer, wie unsere Diskussionen auf einer zweitägigen Klausur der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Anfang Mai 2023 gezeigt haben.

Aber der Reihe nach: Wieso ist „Transfer“ eigentlich so ein gehyptes Thema an den Hochschulen? Das liegt an einer langjährig vollzogenen Ausweitung der Kernaufgaben der Hochschulen, die in eine Stärkung der sog. Third Mission eingemündet ist, welche mittlerweile von vielen als ein eigenständiges Aufgabenfeld der Hochschulen neben Lehre und Forschung begriffen wird. Eine Mission von hoher und weiter steigender Bedeutung, wie das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE 2016, 2020) ausführt. Zu diesem Aufgabenfeld gehören Aktivitäten wie „Wissens- und Technologietransfer, regionales Engagement, Weiterbildungsangebote und Soziale Innovationen“.

https://www.che.de/third-mission/

Während der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft in seinem Transferbarometer nahezu alle Aktivitäten einer Hochschule dem Thema Transfer unterordnet und auch gleich ein Transfer-Audit vorgelegt hat, in dem sich Hochschulen beweisen und an entsprechenden Kriterien ausrichten können, schauen die wissenschaftspolitischen Gremien differenzierter auf die Sache.

Zwar erwartet der Senat der Hochschulrektorenkonferenz (HRK-Entschließung 2016) von den Hochschulen „Leistungen, die für die wissenschaftliche, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung Deutschlands von entscheidender Bedeutung sind“. Und der Wissenschaftsrat empfiehlt den Hochschulen und Forschungseinrichtungen (WR-Positionspapier 2016), „die Förderung von Transferaktivitäten als strategische Aufgabe zu verstehen und auf Leitungsebene dafür Verantwortung zu übernehmen“. Vor allem betonen beide Organisationen den dafür notwendigen „Dialog mit Partnern aus Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft oder Kultur“, um gemeinsam Veränderungsbedarfe zu erkennen und zu bearbeiten.

Allerdings schließt sich die HRK nicht der Auffassung an, die dritte Mission trete eigenständig neben Lehre und Forschung, sondern betont, dass diese sich „durchweg auf Basis der und synergistisch zu den Kernkompetenzen Forschung und Lehre“ entwickele und deshalb Teil der Grundfinanzierung der Hochschulen sein müsse (ebd.). Und auch der Wissenschaftsrat hat einen Blick dafür, dass „solche Austauschprozesse aufwändig sind und Zeit, Personal und Geld benötigen“ (ebd.).

https://www.stifterverband.org/transferbarometer

https://www.stifterverband.org/transfer-audit

https://www.hrk.de/positionen/beschluss/detail/transfer-und-kooperation-als-aufgaben-der-hochschulen/

https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/5665-16.html

Soweit, so anspruchsvoll. Wie soll sich nun eine sozialwissenschaftliche Fakultät in diesem Anspruchs-Dschungel einen Weg bahnen? Schauen wir in die Geschichte unserer Fakultät, so sehen wir: Transfer hat Tradition. Bereits in den 70er Jahren haben Kolleg:innen mit den Student:innen interdisziplinäre Projektstudien aufgelegt, die zu einem regen Austausch mit regionalen Stadtteilen, Trägern und Einrichtungen und zu gemeinsam ersonnenen konzeptionellen Neuentwicklungen bis hin zu deren institutioneller Verankerung geführt haben.

Hieran würden wir gerne systematischer anknüpfen und unser eigenes transdisziplinäres und transformatives Verständnis von Transfer sowie unsere Transferpraxis weiterentwickeln. Dazu bald mehr an dieser Stelle.

Gunda Sandmeir, Ursula Unterkofler und Gabriele Vierzigmann für die Fakultätsgruppe Transfer

Fachtag der AG Soziale Arbeit am Freitag, den 30.06.2023, 09:00-16:00 Uhr an der Hochschule München, Campus Pasing

Die AG Soziale Arbeit setzt sich seit längerem in ganz unterschiedlichen Formaten und Konstellationen mit dem Gegenstand „Armut und Soziale Arbeit“ auseinander. Armut, so die Parität, ist kein gesellschaftliches Randphänomen. Von Armut waren in Deutschland in 2021 14,1 Menschen (16,9% der Bevölkerung) betroffen (https://www.der-paritaetische.de/themen/sozial-und-europapolitik/armut-und-grundsicherung/armutsbericht-2022-aktualisiert/, letzter Zugriff vom 08.05.23)!  

Die menschlichen Schicksale hinter diesen Zahlen sind kaum bekannt. Auf dem Hashtag Auf #IchbinArmutsbetroffen berichten Betroffene ebenso wie Janine Lütt in der Wochenzeitung „Der Freitag“   (z.B. https://www.freitag.de/autoren/janina-luett/ein-jahr-ichbinarmutsbetroffen-arm-sichtbar-stolz, Zugriff vom 08.05.2023).

Auf dem Fachtag am Freitag, den 30.06.2023, 09:00-16:00 Uhr werden wir uns des Themas erneut annehmen. Neben einem Fachvortrag zu „Armut und Sozialer Arbeit“ von Kai Marquardsen (FHS Kiel) und einem von Joachim Hayen (Stadt München) zum Armutsbericht München werden wir uns in insgesamt 17 Workshops aus unterschiedlichen Blickwinkeln dem Thema nähern. Interessent*innen des Fachtags können sich bis zum 25.06.2023 unter fachtag-armut@hm.edu verbindlich anmelden. Wir freuen uns auf Ihr/euer Kommen.

Birgit Baumeister/ Gund Sandmeir/ Gerd Stecklina (Organisationsteam)

Vorstellung Professorin Emily Engelhardt

Emily Engelhardt

„Ja, aber geht das eigentlich auch online!?“ ist eine Frage, die ich seit über 20 Jahren in unterschiedlichen Kontexten immer wieder gestellt bekomme. Seit März 2023 bin ich an der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften als Professorin tätig. Ich möchte gerne einen Resonanzraum schaffen, in dem sich mit dieser und weiteren Fragen konstruktiv beschäftigt werden kann. Die Professur mit der Denomination ‚Digitale Transformation in Sozialen Handlungsfeldern und Gesellschaft‘, deutet auf drei Aspekte hin, die es nun mit Leben zu füllen gilt:

1.) Digitale Transformation – wohlgemerkt ein manchmal etwas sperriger Begriff – spielt für die Soziale Arbeit eine immens wichtige Rolle. Denn die Auswirkungen dieses ergebnisoffenen Prozesses, sind alltäglich spürbar. Und so haben sie in der Lebenswelt der Adressat:innen, aber auch im praktischen Handeln der Professionellen eine große Bedeutung.

2.) Es entstehen neue Herausforderungen, denen in den Sozialen Handlungsfeldern begegnet werden muss und für die neue Lösungen und Arbeitsweisen entwickelt und etabliert werden müssen.

3.) Gilt es aktuelle Entwicklungen und deren Einfluss auf gesellschaftliche Prozesse zu beobachten und auch sozialpolitisch Stellung zu beziehen, wenn es beispielsweise um Teilhabeaspekte oder digitale Exklusionsphänomene geht.

Die Frage, wie ‚digitale Dinge‘ in der Sozialen Arbeit klug genutzt und einen Mehrwert schaffen können, beschäftigt mich vor allem im Kontext von Beratung. So bin ich 2001, zu einer Zeit, als das Internet fast noch in seinen Kinderschuhen steckte, zur Onlineberatung gekommen. Nachdem ich einige Jahre eine große Onlineberatungsstelle für Kinder und Jugendliche unter Trägerschaft des Kinderschutz e.V. München leiten durfte, hat es mich für eine Weile in die ‚Offline-Welt‘ zum Intergrationsfachdienst Weilheim gezogen. In der Arbeit mit jungen Menschen mit unterschiedlichen kognitiven Einschränkungen und mit Erwachsenen, die aufgrund einer Schwerbehinderung unterschiedliche (berufliche) Benachteiligungen erlebten, hat mich die Frage nach digitalen Teilhabemöglichkeiten bewegt. Wie wollen wir als Gesellschaft damit umgehen, dass bestimmte Personengruppen digital weniger oder gar nicht teilhaben, während ‚das Digitale‘ doch immer wichtiger wird? Und wie qualifizieren wir Fachkräfte in der Sozialen Arbeit, um auf Entwicklungen und Herausforderungen angemessen zu reagieren?

2012 bekam ich das Angebot an der Technischen Hochschule Nürnberg ein Institut für E-Beratung an der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften als Geschäftsführerin mit aufzubauen. Fast 10 Jahre durfte ich spannende Forschungsprojekten initiieren und begleiten, die der Frage nachgingen, wie das Internet und digitale Kommunikationsmedien im Kontext Sozialer Arbeit innovativ genutzt werden können. Vor allem ging es aber um die Entwicklung von Qualitäts- und Qualifizierungsstandards für die Onlineberatung, die ich in Projekten und der Lehre erarbeiten und umsetzen konnte.

Als Systemische Beraterin und Supervision begleite ich seit vielen Jahren soziale Organisationen in Entwicklungsprozessen rund um die Digitalisierung der Sozialen Arbeit. Die Professur bietet nun die Chance im Kontext der Hochschule wichtige Themen voranzutreiben und Fragestellungen zu reflektieren. Aktuell ist beispielsweise eine brennende Frage, welche Auswirkungen die enorm schnell fortschreitenden Entwicklungen der KI haben werden. Da mein Herz für die Lehre schlägt, freue ich mich besonders auf den Austausch mit den Studierenden, um von ihrem Zugang zu den Themen zu erfahren und gemeinsam gute Lösungen zu entwickeln.

Intensivierung des Theorie-Praxis-Transfers an der Hochschule München

von Gunda Sandmeir, Ursula Unterkofler und Gabriele Vierzigmann für die Fakultätsgruppe Transfer

Am 30.03.2023 fand eine hochinteressante Veranstaltung der Reihe IM DIALOG statt, welche die Katholische Stiftungshochschule München und die Hochschule München (HM) gemeinsam anbieten. Es ging um den Fachkräftemangel in der Sozialen Arbeit und die vielschichtigen Herausforderungen, die sich für Praxis, Hochschulen und Politik ergeben. In der Diskussion wurde uns einmal mehr sehr deutlich, wie wichtig ein systematisch und verlässlich betriebener Austausch für gemeinsames Handeln von Praxis und Hochschulen ist.

Wie also können nachhaltige und breit gefächerte Praxiskontakte und Praxiskooperationen angebahnt und erhalten werden? Und wie kann eine lebendige und wirkungsvolle Zusammenarbeit angesichts all der anderen fordernden Aufgaben gestemmt werden? Das ist ein Anliegen, mit dem wir uns an der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften an der HM seit einiger Zeit wieder intensiver beschäftigen und nach Möglichkeiten suchen, wie wir uns diesbezüglich systematisch noch besser aufstellen können, sei es etwa im Rahmen der Lehre (Praktika, Projektstudium), gemeinsamer (Forschungs-)Projekte oder in der Weiterbildung.

Zwei Entwicklungen im Hochschulwesen helfen uns derzeit weiter: Zum einen gilt „Transfer“, also die Förderung des (forschungsbasierten) Ideen-, Wissens- und Technologietransfers in die einschlägigen Praxisbereiche, mittlerweile als eine weitere Aufgabe der Hochschulen. Auch in unserem neuen Hochschulentwicklungsplan wird betont (S. 6), „dass Transferstärken und transferfördernde Bindungen weiterentwickelt sowie dauerhafte institutionelle Voraussetzungen für Transfer an der HM etabliert werden“ sollen. (Abzurufen unter: https://www.hm.edu/hochschule_muenchen/hochschulleitung/hep/hep.de.html)

Zum anderen hat die Hightech Agenda Bayern es uns ermöglicht, eine sogenannte Innovationsprofessur für den Bereich Theorie-Praxis-Transfer zu besetzen. Das Verfahren ist so gut wie abgeschlossen und die neu zu berufende Person wird eine gewisse Freistellung für Aufgaben rund um die Weiterentwicklung von Transferaktivitäten und Praxiskooperationen zur Verfügung haben. Unterstützt wird sie dabei von der bereits aktiven Fakultätsgruppe Transfer, die das Anliegen und die (künftigen) Aktivitäten im Auftrag des Fakultätsrates begleitet. Wir halten Sie auf dem Laufenden!

Planspiel – eine praxisorientierte Unterrichtsmethode im Studiengang Bachelor Soziale Arbeit

von Tristan Lenz, Stefanie Marschallek, Chiara Meintzinger, Steffi Poneß, Luisa Wenig und Anna Ungemach (Studierende im Bachelorstudiengang Soziale Arbeit)

„Mehr Selbstwirksamkeitserfahrung unserer Bürger*innen ist das Lebenselixier unserer Demokratie“, erklärt der Sozialwissenschaftler sowie Direktor des Berlin Instituts für Partizipation, Jörg Sommer. Getreu dieser Linie fand an 2 Tagen Mitte März 2023 das Planspiel (ausgewiesen als Seminar „Organisatorische und fachpolitische Vertiefungen“) an der Hochschule München, statt.

Neben einem theoretischen Input zum Planspiel (Grundlage Ameln, Kramer 2016) – unser Planspiel diente der Simulation komplexer Verhandlungs-, Planungs- und Entscheidungsprozesse auf der Grundlage eines Konfliktszenarios mit einer strittigen politischen Problematik, in die sich 12 Akteursgruppen einbrachten – durchliefen die Studierenden eine Strategieerarbeitungsphase, die Spielphase, die Reflexionsphase und der Marktplatz.

In dieser praktischen Übung konnten wir Studierenden an einer simulierten Miniaturform der Realität teilhaben, in welcher zivilgesellschaftliche Akteure und Institutionen aus Politik, Wirtschaft und Sozialer Arbeit aus unterschiedlichen Positionen und Logiken heraus sich einem Thema zuwenden und ihre Interessen vertreten. Das Thema war in einem Konfliktszenario festgehalten. Im Laufe des Seminars wurde eine Meinung aus einem komplexen Pool von unterschiedlichen Interessen gebildet. Auf diese Art und Weise konnte man Dynamiken, das Angewiesensein der Gruppen sowie Abhängigkeiten zwischen den Gruppen erkennen und miterleben, welche nur durch die praktische Erfahrung in jener Tiefe vermittelt, werden können. Bei jenem Prozess konnte man die elementare Relevanz von diplomatisch geführten Kooperationen, im Hinblick auf die soziale Verantwortung des Individuums sowie der jeweiligen Instanz, zum Erhalt der Demokratie erkennen. Auch die Tatsache, dass alle Akteur*innen einen Raum im Geschehen zugesprochen bekommen haben, war ersichtlich. Wobei je nach Interessensausrichtung natürlicherweise variierende Kooperationen entstanden. Jeder und jede Studierende war eingeladen sich einzubringen. Es war eine bereichernde Erfahrung, die Spaß gemacht hat und sicherlich eine Annäherung an das aktuelle Procedere der sozialpolitischen Wirklichkeit dargestellt hat.

„Jugend – ein Armutsrisiko?“ – Ein Rückblick auf den Fachtag der AG Soziale Arbeit am 13. Februar 2023 im Paoso[1]


von Ariane Sept, unter Mitarbeit von Jutta Schröten

„Man kann nur träumen von etwas, von dem man eine Vorstellung hat“ und „keine Ziele zu haben macht Sinn, denn Ziele nicht zu erreichen, tut so weh“ – diese Zitate aus dem Mund von zwei Jugendlichen, die arm sind, waren Anker in den verschiedenen Vorträgen und den Diskussionen auf dem Fachtag. Nicht nur fehlen armen Kindern und Jugendliche grundlegende materielle Dinge, es werden durch sie auch Erfahrungen nicht gemacht, es werden eben keine Träume geträumt und sich keine Ziele gesetzt. Jugendliche schultern viele Aufgaben, Sorgen und Verantwortlichkeiten in ihren Familien. Sie lernen früh, abzuwägen und sich zu begnügen. Sie entwickeln zu wenig Resilienz gegenüber Stress, obwohl sie extrem viel erdulden und erfahren haben. Positive Erfahrungen und eine kontinuierliche Begleitung bis zum Schul- und Ausbildungsabschluss können helfen, die vererbte Armut mit einem eigenständigen Leben zu überwinden. Dörthe Friess von Lichtblick Hasenbergl hat es mit ihrem Enthusiasmus geschafft, den Teilnehmenden des Fachtages zu zeigen, dass eine intensive Begleitung von der Kindheit bis zum Ende der Ausbildung echte Perspektiven bieten kann, auch wenn es keine einfache Aufgabe ist.

Meist aber erscheinen Nachrichten zu Armut, erst recht unter Kindern und Jugendlichen, eher als Randnotiz und auch in der Lehre an unserer Fakultät steht das Thema leider noch zu selten im Fokus. Und das obwohl selbst in München mit seinen überdurchschnittlich hohen Einkommen und Vermögen, vor allem Haushalte mit (mehreren) Kindern sowie Alleinerziehende von (relativer) Armut betroffen sind: Während 16% der Haushalte mit einem Kind als arm gelten, sind es unter den Haushalten mit drei und mehr Kindern 35%, unter Alleinerziehenden gar 37%. Diese Zahlen berichtete Werner Fröhlich von der LMU, der lange selbst am Münchener Armutsbericht mitgearbeitet hat. Des Weiteren führte Werner Fröhlich aus, dass wesentlicher Treiber von Verarmung häufig die Wohnkosten sind. Allgemein geht man davon aus, dass die Miete etwa 30% des zur Verfügung stehenden Haushaltseinkommens nicht überschreiten sollte, um am gesellschaftlichen Leben adäquat teilzuhaben. Unter den als arm geltenden Münchner:innen müssen jedoch über 60% mehr als 40% ihres Einkommens für das Wohnen aufbringen, obwohl ihnen überwiegend weniger Wohnfläche pro Kopf zur Verfügung steht als anderen Bevölkerungsgruppen. Arme Familien wohnen häufig beengt, Kinder können sich nicht zurückziehen, für viele Freizeitaktivitäten fehlen finanzielle Mittel. Stark erhöht hat sich in den letzten Jahren auch die Anzahl der minderjährigen Kinder und Jugendlichen in Sofortunterbringung, sie machen inzwischen empörende 35% aller Wohnungslosen in München aus. Es ist davon auszugehen, dass sich das Wohnungsproblem durch Inflation und massiv gestiegene Energiekosten weiter verschärfen wird.

Kinder und Jugendliche sind zudem überdurchschnittlich oft auf Leistungen nach SGB II angewiesen.

Ute Kötter (Hochschule München) erläutert die Änderungen der Grundsicherung nach dem SGB II durch das Bürgergeldgesetz. Sie sieht mit Blick auf Kinder und Jugendliche und junge Erwachsende zwar Verbesserungen, wie die vollständige Anrechnungsfreiheit von Erwerbseinkommen aus Schüler:innenjobs in den Ferien, die Erhöhung der Freibeträge (520 € monatlich)  für  Erwerbseinkommen aus Schüler:innen – und Studierendenjobs außerhalb der Ferien, aus der  beruflichen Ausbildung oder aus einem Freiwilligendienst,  die Begrenzung der Minderjährigen-Haftung  durch die Erhöhung des Vermögensfreibetrag bei Volljährigkeit auf 15.000 €.  Die Regelleistungen für Kinder und Jugendliche sind jedoch auch nach ihrer Erhöhung zum 1.1.2023 unzureichend und die Teilhabeleistungen administrativ zu voraussetzungsvoll, um eine gleichberechtigte Teilhabe und Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche aus von Armut betroffenen Familien zu erreichen. Ob die noch für diese Legislaturperiode geplante Kindergrundsicherung diese verwirklichen kann, bleibt angesichts der Erfahrungen im Gesetzgebungsprozess des Bürgergeldgesetzes ungewiss.

Ute Kinne (Jobcenter München) stellt das umfangreiche Spektrum der Leistungen des Jobcenters für die Integration von Jugendlichen unter 25 Jahren in Ausbildung und Arbeit vor. Sie sieht im Verzicht auf den Vorrang der Vermittlung in Arbeit durch das Bürgergeldgesetz, eine Chance für eine individuelle Unterstützung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen beim Zugang zu Ausbildung, weiteren Qualifizierungsmöglichkeiten und Arbeitsmarkt.

Die abschließende und angeregte Diskussion der ca. 25 Teilnehmer:innen im Paoso zeigte, dass Armut im Studium der Sozialen Arbeit aber auch den anderen Studiengängen der Fakultät zwar in zahlreichen Lehrveranstaltungen thematisiert wird, jedoch nicht systematisch in den Curricula verankert ist. Viele Diskutierende äußerten den Eindruck, Armut sei sowohl bei Lehrenden als auch bei den Studierenden ein Tabuthema, das insbesondere vor dem Hintergrund neoliberaler Einstellungen einer größeren Aufmerksamkeit bedarf. Als einen Schritt auf diesem Weg plant die AG Soziale Arbeit daher, im Sommer eine studiengangsübergreifende Tagung zu verschiedenen Armutsthemen durchzuführen sowie mit Lehrenden Möglichkeiten auszuloten, zeitnah und praxisorientiert das Thema Armut systematisch in der Lehre zu verankern!

Die Ergebnisse des Fachtags wurden schriftlich festgehalten und sind den Teilnehmer: innen zugänglich!

Programm Fachtag 13.02.2023 der AG Soziale Arbeit an der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften

AG Soziale Arbeit, Hochschule München, Fak. für angewandte Sozialwissenschaften

Ort: Paoso

Zeit: 09:00-16:00 Uhr

Tag: 13.02.2023

Organisation: Birgit Baumeister, Ute Kötter, Gunda Sandmeir, Gerd Stecklina, Gabriele Vierzigmann

„Jugend – ein Armutsrisiko?“

9:00 bis 9:15 Uhr            Ankommen im Paoso

09:15 bis 09:30 Uhr       Eröffnung, Anliegen, Ziele des Workshops

9:30 bis 10:30 Uhr         Werner Fröhlich (LMU München): Jugend – ein Armutsrisiko? Wissenschaftliche Perspektive

10:30 bis 11:00 Uhr       Pause

11:00 bis 12:00 Uhr       Ute Kötter (Hochschule München): Das neue Bürgergeldgesetz – ein Überblick über die wichtigsten Änderungen

Ute Kinne (Jobcenter München): Die Auswirkungen des Bürgergeldgesetzes auf die Integration von U25

12:00 bis 13:00 Uhr       Mittagspause

13:00 bis 14:00 Uhr       Dörthe Friess (Lichtblick Hasenbergl): Perspektiven der Praxis auf Jugend und Armut

14:00 bis 14:15 Uhr       Pause

14:15 bis 15:30 Uhr       Fokus Lehre: Armut in der Lehre als Querschnittsthema?!

15:30 bis 16:00 Uhr       Abschluss: Ausblick, Weiterarbeit am Thema, AG Soziale Arbeit

[1] Paoso … Katholische und Evangelische Hochschulgemeinde in München-Pasing, https://www.paoso.de/

Im Dialog: Fachkräftemangel in der Sozialen Arbeit als Herausforderung für Praxis und Hochschulen

Fachveranstaltung am 30. März 2023 | 16.30 – 19.30 Uhr | Hochschule München, Campus Pasing,
Am Stadtpark 20, Raum KO 127 (Kapelle)

Über 50 Jahre nach dem Start von Studiengängen für Soziale Arbeit an den beiden Münchner Hochschulen soll in der Veranstaltungsreihe IM DIALOG gemeinsam mit der Praxis der Blick nach vorne gerichtet werden. Wie zum Beispiel kann dem Risiko einer De-Professionalisierung durch den derzeitigen und prognostizierten Fachkräftemangel wirksam begegnet werden? Wie gestaltet sich die aktuelle Situation zwischen unbesetzten Stellen und steigenden Kompetenzanforderungen in der Sozialen Arbeit? Wie reagiert die Praxis und welche Maßnahmen werden ergriffen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken? Welche aktuellen Herausforderungen sind für die Stadtgesellschaft in München erkennbar? Welche Schlussfolgerungen für die Zukunft lassen sich ziehen?

Programm:
16.30 Uhr

Begrüßung und Eröffnung
Einführung – Fachkräftemangel aus Sicht einer
Praxisvertreterin und eines Hochschullehrers
Dr. Anna Laux (Geschäftsführende Vorständin
KINDERSCHUTZ MÜNCHEN)
Peter Lenninger (Katholische Stiftungshochschule
München)


17.00 Uhr

Podiumsgespräch mit
Dorothee Schiwy (Sozialreferentin der LH München),
Julia Sterzer (Geschäftsführung AWO – AG FW),
Anna Laux (Geschäftsführung KINDERSCHUTZ),
Sebastian Taylor (Student BA Soziale Arbeit HM),
Nicole Pötter (Hochschule München),
Philipp Heinze (Personalrat Sozialreferat und ver.di)

18:30 Uhr

Plenum

19:30 Uhr

Abschluss

IM DIALOG – Koordination:
Katholische Stiftungshochschule München
Prof. Dr. Peter Lenninger / Prof. Dr. Susanne Nothhafft / Prof. Dr. Andreas Schwarz
Hochschule München, Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften
Prof. Michael Nitsch / Prof. Dr. Gerd Stecklina / Prof. Jan Wienforth / Prof. Dr. Gabriela Zink

Programm zum Download

Podcast des Studiengangs Bachelor Soziale Arbeit, Hochschule München

Von Nicole Pötter

In einem aktuellen Podcast der Studienberatung der Hochschule München stellt sich der Studiengang Soziale Arbeit vor. Die Studiengangleitung Prof. Dr. Nicole Pötter, der Student Pablo Huber und die Sozialarbeiterin und Alumna Patricie Petrinova berichten über die aktuellen Angebote, Studienschwerpunkte und Voraussetzungen für das Studium. Die Arbeitsmarktchancen für Absolvent:innen waren selten so gut wie zurzeit.

Den Podcast gibt es hier zu hören!

Wir würden uns freuen, wenn der Podcast viel Zuspruch erfährt. Für weiterführende Fragen stehen wir Ihnen im Rahmen der Informationstage der Hochschule München – am 23.03.-24.03. online und am 25.03. am Campus in der Lothstraße – zur Verfügung. Gerne können sich Interessierte auch direkt an unseren Studienberater Sebastian Bernhard unter sebastian.bernhard@hm.edu wenden. Personen, die sich speziell für den Teilzeitstudiengang Soziale Arbeit interessieren, können sich an Lara Keller unter lara.keller@hm.edu wenden.

Arm sein in einem reichen Land

Gerd Stecklina

Armut ist im Alltag sehr präsent und doch ist sie sehr oft unsichtbar oder wird durch Politik, Medien, Fachöffentlichkeit etc. nur bedingt wahrgenommen.

Umso notwendiger sind die Initiativen und Vereine, die in ihrer alltäglichen Arbeit Menschen in extremen Notsituationen helfen. Ein paar von ihnen wurden durch den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier am Tag des Ehrenamts am 05.12.2022 ausgezeichnet. Menschen, die sich für Arme und Benachteiligte engagieren und Menschen in Not ein wenig Hoffnung geben.

Ausgezeichnet wurden u.a. Helga Kepper, die seit rund 20 Jahren das Gesicht der Wolfhager Tafel ist, der Initiator des Hamburger Duschbus Dominik Bloh, Catharina Paulsen vom Kieler Verein Hempels (Straßenmagazin Hempels), Peter Reibisch vom Medibüro Kiel – medizinische Behandlung für Menschen ohne Krankenversicherungsschutz.

Das ZDF widmet sich aktuell in der Reihe „Armes reiches Deutschland: Wenn die Arbeit nicht zum Leben reicht“ (ZDF-Reportage) dem Thema, dass Armut kein »Randphänomen« der Gesellschaft ist, sondern auch Menschen in Vollzeitarbeit und Selbstständige betrifft. Die Reihe zeigt auf, mit welchen Problemen Armut verbunden ist (Hunger, Scham, Einsamkeit, Frustration, Perspektivlosigkeit, verletzte Gefühle, Verlust an Selbstvertrauen, keine ausreichende und ausgewogene Ernährung, …). 

Stadt und Raum sehen, verstehen und mitgestalten

Prof. Dr. Ariane Sept neu an der HM und der AG

Von Ariane Sept

Seit Anfang Oktober 2022 bin ich Professorin für Partizipative Kommunalentwicklung und Gemeinwesenarbeit an der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften der Hochschule München.

Die letzten vier Jahre verbrachte ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) in Erkner bei Berlin und habe vor allem zu sozialen Innovationen in der ländlichen Entwicklung, insbesondere in strukturschwachen Räumen, geforscht. Dabei hat mich ganz besonders die spezifische Rolle des zivilgesellschaftlichen und ehrenamtlichen Engagements in ländlichen Räumen interessiert. Auch der kontinuierliche Austausch mit Akteuren der Raumentwicklung, im Land Brandenburg wie deutschlandweit, war mir immer ein Anliegen. Als Lehrbeauftragte am Institut für Stadtplanung der BTU Cottbus-Senftenberg hatte ich zudem die Möglichkeit, unterschiedliche Lehrformate von Vorlesung bis zu Projekt und Exkursion durchzuführen.

Am Anfang meines beruflichen Lebens stand ein Studium Stadt- und Regionalplanung an der TU Berlin. Seit 2006 bin ich daher Diplomingenieurin. Nun mag es zunächst erstaunen, dass eine Dipl.-Ing. an einer Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Professorin wird. Eigentlich aber ist es ganz logisch. Schon während des Studiums und in den ersten Jahren danach habe ich mich vor allem mit benachteiligten Stadtteilen beschäftigt: meine Diplomarbeit behandelte das europäische Programm URBAN in Italien, für ein Interreg-Projekt zu nachhaltiger Stadtteilentwicklung in Südeuropa war ich in der wissenschaftlichen Begleitung der Stadt Rom involviert. Irgendwie war ich dann für einige Jahre freiberuflich in den Bereichen angewandte Stadtforschung und Öffentlichkeitsarbeit tätig. Projekte wie „Kirche findet Stadt“ oder die Auseinandersetzung zum „Umgang mit baulichen Überresten an Orten ehemaliger Konzentrationslager“ haben mich während dieser Jahre geprägt. Im Vergleich zu meinen Kolleg:innen aus den Sozial- oder Geschichtswissenschaften hatte ich jedoch immer ein wenig das Gefühl, dass meine methodischen Kompetenzen beschränkt sind.

2015 ergab sich schließlich die Möglichkeit, am Graduiertenkolleg „Innovationsgesellschaft heute“ am Institut für Soziologie der TU Berlin zu promovieren. Die drei Jahre habe ich für meine Dissertation zu Entschleunigung in Klein- und Mittelstädten genutzt, habe aber auch versucht, nicht nur Hartmut Rosa zu lesen, sondern so viel soziologisches Wissen wie nur möglich aufzunehmen. Vor allem die qualitativen Methoden in möglichst vielen Ausprägungen hatten es mir angetan. Als ich im letzten Jahr an der Uni Botswana online einen internationalen Kurs zum Sampling im qualitativen Stadtvergleich geben durfte, war ich sicher, dass ich mich auch methodisch nicht verstecken muss.

Ich freue mich, dass ich nun meine unterschiedlichen Erfahrungen in Lehre und Forschung an der Hochschule zusammenbringen kann. Da ich erst für diese neue Aufgabe nach München gezogen bin, muss ich zunächst einmal die Stadt und ihre Akteur:innen kennenlernen. Das Explorieren von Stadt ist gleichzeitig wichtiger Bestandteil meiner Lehre, so dass ich schon jetzt auch von Studierenden lerne. Und ein solches gemeinsames Lernen beschreibt vielleicht auch meinen wichtigsten Zugang zur Lehre: mitunter habe ich mehr konkretes Fachwissen, mehr Bücher gelesen, mehr geforscht oder mehr geschrieben, aber den Alltag dieser Stadt – den kennen die Studierenden viel besser als ich.

In diesem Sinne vertrete ich in der Sozialen Arbeit ein sehr kleines Randgebiet, aber auch und gerade in der Gemeinwesenarbeit muss der Blick für und im sozialem Raum geschult sein, um Zugang zu Bewohner:innen zu bekommen und Probleme zu erkennen. Darüber hinaus ist es mir ein Anliegen, in die AG auch Themen einzubringen, die in der Großstadt München im Moment vielleicht weniger präsent sind. Dies betrifft vor allem den demografischen Wandel, den wir in strukturschwachen ländlichen Räumen schon heute mit all seiner Wucht spüren.

Ich freue mich auf viele spannende Gespräche und Diskussionsformate mit den Kolleg:innen, von denen ich sicher noch sehr viel lernen werde! Und ich möchte danke sagen für die freundliche Aufnahme an der Hochschule und in der AG Soziale Arbeit.