„Kann Soziale Arbeit jede:r?“

von Nicole Pötter

Am Donnerstagabend, den 22.6.2023 stellten die Vertreter:innen der GEW, der Fachgruppe Erziehung Ver.di und des DBSH ihre Stellungnahme „Kann Soziale Arbeit jede:r?“ – De-Konstruktion des Fachkräftemangels – in der Aidshilfe München vor. Unter den anwesenden Teilnehmer:innen waren Fachkräfte und politisch Verantwortliche vom Münchener Stadtrat sowie die dritte Bürgermeisterin Verena Dietl.

Verena Dietl, dritte Bürgermeisterin der Stadt München und selbst studierte Sozialarbeiterin, hört sich die Sorgen der Teilnehmer:innen an. Foto: Christian Lohwasser

Ebenfalls waren Vertreter:innen der öffentlichen und kirchlichen Hochschulen sowie Studierende der Sozialen Arbeit anwesend. Die umfangreiche Analyse der gewerkschaftlichen Vertreter:innen zeigte die Komplexität des Themas „Fachkräftemangel in der Sozialen Arbeit“ auf und machte deutlich, dass es vieler unterschiedlicher Maßnahmen bedarf, um einerseits die Qualität der Sozialen Arbeit zu sichern und andererseits die Bedarfe im sozialen und pädagogischen Handlungsfeld einigermaßen zu erfüllen.

Der Fachkräftemangel hat auch deshalb einschneidende Auswirkungen, weil er dazu führen könnte, dass die Standards des Studiums selbst in Mitleidenschaft gezogen werden. Ein Großteil des Zuwachs an Studienplätze in den letzten Jahren erfolgte vor allem an den privaten Hochschulen, die Studierende als Kund:innen verstehen und den staatlichen Bildungsauftrag daher nur bedingt erfüllen können. Darüber hinaus fehlt es zunehmend an Fachkräften, die als Anleiter:innen während der Praxissemester den eigenen Nachwuchs mit ausbilden können. Immer häufiger muss das Praktikantenamt Stellen ablehnen, weil keine sozialpädagogische Fachkraft für die Anleitung zur Verfügung steht. Wie auf der Veranstaltung deutlich angesprochen wurde, gibt es für Anleiter:innen zudem weder Arbeitsentlastungen noch finanzielle Anreize, um diese durchaus herausfordernde Aufgabe zu übernehmen. Für die Studierenden selbst, die zu über 80% neben dem Studium arbeiten müssen, um ihren Unterhalt zu finanzieren, ist das Praxissemester ebenfalls eine Herausforderung, denn die gezahlten Vergütungen bewegen sich zwischen 0 und bestenfalls 600 €, eine Nebentätigkeit ist aber in dieser Zeit praktisch nicht möglich. Zudem ist der empfohlene Betrag von 600 € seit der Einführung der Bachelorstudiengänge nicht mehr angeglichen worden, was angesichts der aktuellen Inflation dringend einer Überarbeitung bedürfte. In Dualen Studiengängen erhalten Studierende zwar immerhin 1000 € Vergütung für ihre Arbeitsleistung – warum kann man Studierenden im Praxissemester eigentlich nicht die gleiche Vergütung anbieten? – hier bestehen aber für die Anleiter:innen zusätzlich Anforderungen, da die Studierenden bereits im ersten Semester (und nicht erst im fünften Semester, wie bei den Praktikant:innen) in den Fachstellen sitzen – meist ohne geeigneten Arbeitsplatz oder Ausstattung.  

Das Fazit des Austausch, war aus meiner Sicht, dass es dringend einer nachhaltigen Strategie für die anstehenden Jahre bedarf und dass sich hier weder die Bundes-, Landes- oder kommunale Politik aus der Verantwortung ziehen darf. Gleiches gilt für die Fachvertreter:innen und Hochschulen.