Was heißt denn hier „Transfer“?

„Transfer“ im Sinne von „etwas von Wert übermitteln“, könnte auch so verstanden werden: Die Hochschule übergibt ihre Erkenntnisse und Erfindungen in handlichen Päckchen an die Praxis zur weiteren Verwendung und lehnt sich zufrieden zurück. Und andersherum, die Praxis legt ihre Anliegen auf der Türschwelle der Hochschule ab, in der Hoffnung, man möge sich ihrer annehmen. Nein, so denken wir nicht über Transfer, wie unsere Diskussionen auf einer zweitägigen Klausur der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Anfang Mai 2023 gezeigt haben.

Aber der Reihe nach: Wieso ist „Transfer“ eigentlich so ein gehyptes Thema an den Hochschulen? Das liegt an einer langjährig vollzogenen Ausweitung der Kernaufgaben der Hochschulen, die in eine Stärkung der sog. Third Mission eingemündet ist, welche mittlerweile von vielen als ein eigenständiges Aufgabenfeld der Hochschulen neben Lehre und Forschung begriffen wird. Eine Mission von hoher und weiter steigender Bedeutung, wie das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE 2016, 2020) ausführt. Zu diesem Aufgabenfeld gehören Aktivitäten wie „Wissens- und Technologietransfer, regionales Engagement, Weiterbildungsangebote und Soziale Innovationen“.

https://www.che.de/third-mission/

Während der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft in seinem Transferbarometer nahezu alle Aktivitäten einer Hochschule dem Thema Transfer unterordnet und auch gleich ein Transfer-Audit vorgelegt hat, in dem sich Hochschulen beweisen und an entsprechenden Kriterien ausrichten können, schauen die wissenschaftspolitischen Gremien differenzierter auf die Sache.

Zwar erwartet der Senat der Hochschulrektorenkonferenz (HRK-Entschließung 2016) von den Hochschulen „Leistungen, die für die wissenschaftliche, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung Deutschlands von entscheidender Bedeutung sind“. Und der Wissenschaftsrat empfiehlt den Hochschulen und Forschungseinrichtungen (WR-Positionspapier 2016), „die Förderung von Transferaktivitäten als strategische Aufgabe zu verstehen und auf Leitungsebene dafür Verantwortung zu übernehmen“. Vor allem betonen beide Organisationen den dafür notwendigen „Dialog mit Partnern aus Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft oder Kultur“, um gemeinsam Veränderungsbedarfe zu erkennen und zu bearbeiten.

Allerdings schließt sich die HRK nicht der Auffassung an, die dritte Mission trete eigenständig neben Lehre und Forschung, sondern betont, dass diese sich „durchweg auf Basis der und synergistisch zu den Kernkompetenzen Forschung und Lehre“ entwickele und deshalb Teil der Grundfinanzierung der Hochschulen sein müsse (ebd.). Und auch der Wissenschaftsrat hat einen Blick dafür, dass „solche Austauschprozesse aufwändig sind und Zeit, Personal und Geld benötigen“ (ebd.).

https://www.stifterverband.org/transferbarometer

https://www.stifterverband.org/transfer-audit

https://www.hrk.de/positionen/beschluss/detail/transfer-und-kooperation-als-aufgaben-der-hochschulen/

https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/5665-16.html

Soweit, so anspruchsvoll. Wie soll sich nun eine sozialwissenschaftliche Fakultät in diesem Anspruchs-Dschungel einen Weg bahnen? Schauen wir in die Geschichte unserer Fakultät, so sehen wir: Transfer hat Tradition. Bereits in den 70er Jahren haben Kolleg:innen mit den Student:innen interdisziplinäre Projektstudien aufgelegt, die zu einem regen Austausch mit regionalen Stadtteilen, Trägern und Einrichtungen und zu gemeinsam ersonnenen konzeptionellen Neuentwicklungen bis hin zu deren institutioneller Verankerung geführt haben.

Hieran würden wir gerne systematischer anknüpfen und unser eigenes transdisziplinäres und transformatives Verständnis von Transfer sowie unsere Transferpraxis weiterentwickeln. Dazu bald mehr an dieser Stelle.

Gunda Sandmeir, Ursula Unterkofler und Gabriele Vierzigmann für die Fakultätsgruppe Transfer

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