Umgang der Sozialen Arbeit mit Krisen/Katastrophen – AG Workshop am 28.07.2022

Am Donnerstag, den 28.07.2022 traf sich die AG Soziale Arbeit der Hochschule München zu ihrem immer am Ende des Sommer- bzw. Wintersemesters stattfindenden thematischen Workshop.  Teilnehmende am Workshop waren sowohl Kolleg*innen der AG Soziale Arbeit als auch Studierende der Fakultät.

Das Thema des Workshops war „Umgang der Sozialen Arbeit mit Krisen/Katastrophen“. Als Gast konnten wir Herrn Prof. Dr. Rainer Treptow von der Eberhard-Karls-Universität Tübingen begrüßen, der in einem dialogischen Input verschiedene Aspekte der Thematik problematisierte.

Die Zusammenfassung der Inhalte und Ergebnisse des Workshops wurde freundlicherweise durch Herrn Roberto Beissel (Student, 2. Semester Teilzeit) übernommen! Hierfür vielen Dank! 

Angelika Iser, Norbert Schindler, Gerd Stecklina

Das Gegenteil von katastrophal!?

„Was ist der Auftrag von Sozialer Arbeit bei Krisen und Katastrophen?“

„Ist die Soziale Arbeit zu institutionalisiert und unbeweglich geworden für gute Katastrophenhilfe?“

„Wo sind die Grenzen der Sozialen Arbeit bei Krisen und Katastrophen?“

Das waren Denkanstöße mit denen Lehrende und Studierende der Hochschule München sich am 28.07.2022 zu einem spannenden und auch konträren Austausch trafen. Durch Brezn, selbstgebackenen Kuchen und Kaffee am Morgen und die Kochkünste von Prof.in Dr.in Jutta Schröten zum Mittag, war ein leckerer kulinarischer Rahmen gesetzt.  Es war ein warmer Sommertag, so dass sich die Runde schnell in den Garten des Paoso, der ökumenischen Hochschulgemeinde in Pasing, verlagerte.

Die AG Soziale Arbeit an der HM hat eingeladen. Zu Gast war Prof. Dr. Rainer Treptow (i.R.). Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehören seit vielen Jahren die Themen Katastrophenschutz und Humanitäre Hilfe. Er ist sich sicher, dass die Soziale Arbeit ihre Rolle in diesen Aufgabenfeldern entlang ihrer tatsächlichen Kompetenzen mehr herausarbeiten, verinnerlichen und in die Breite tragen sollte. Als Referent führte er anhand eines kompakten und abwechslungsreichen Input-Vortrags durch fünf Themenbereiche. Diese wurden (fast) alle im Einzelnen unmittelbar im Anschluss gemeinsam diskutiert.

Es ist ihm gelungen, Katastrophenhilfe von humanitärer Hilfe klar abzugrenzen. Dabei hat er auch seine eigenen Veröffentlichungen kritisch reflektiert und die Fortschritte im eigenen Verständnis verdeutlicht.

An diesem Tag war folgende Unterscheidung essenziell wichtig. Es gibt individuelle Ereignisse, die wir als „katastrophal“ bezeichnen. Wenn wir aber über einen Katastrophenfall sprechen, dann von einer Vielzahl gleichzeitig eintretender Einzelschicksale mit einer zusammenhängenden Ursache.

Dr. Rainer Treptow bot einen guten Überblick über die Klassifizierung von Katastrophen (z.B.: naturbedingte, absichtlich oder fahrlässig menschgemachte, wirtschaftliche), die Architektur von Katastrophenschutz, Katastrophenhilfe und humanitärer Hilfe, rechtliche Rahmenbedingungen und die Einordnung der Profession Soziale Arbeit. Eine Unterscheidung der direkten (primären) und der indirekten (sekundären) Intervention ist ihm dabei wichtig. Vorrangig kann Soziale Arbeit ihre Rolle nur in zeitlich nachfolgender und räumlich entfernter Position finden. Und hier besteht großer Handlungsbedarf.

Uns allen sollte bewusst sein, dass wir von Krisensituationen und Katastrophen in Zukunft immer häufiger und direkter betroffen sein werden. Die Corona-Pandemie (weltweit), der russische Angriffskrieg (international) und das Ahrtal-Hochwasser (national) zeigen dies nur zu sehr und unmittelbar. Die Klimakrise zeigt sich, im Vergleich dazu, noch zu abstrakt, um für ein grundsätzliches und umfassendes gesellschaftliches Umdenken zu sorgen.

Gerade in den Diskussionen wurde deutlich, dass es unterschiedliche Positionen gibt, welche „Aufgaben“ oder welche Rolle die Soziale Arbeit übernehmen kann. Besonders auf eine Inkongruenz zwischen dem Anspruch, wie die Profession wahrgenommen werden möchte und der tatsächlichen Umsetzung in der Lebenswelt an der Hochschule, möchte ich noch kurz eingehen.

Student*innen haben vorgetragen, wie sie den Umgang der Hochschule mit der Krise in der Ukraine erlebt haben. Vor welchen Herausforderungen sie stehen und was sie sich von einer Hochschulgemeinschaft, die nicht nur aus Studierenden besteht, wünschen. Die teilnehmenden Student*innen sind eng mit den ehrenamtlichen Initiativen verbunden, die an den verschiedenen Hochschulen und Universitäten in München entstanden, unmittelbar nachdem Russland die Ukraine angegriffen hat.

Selbstverständlich ist ehrenamtliche Tätigkeit immer freiwillig. Jede und Jeder muss selbst entscheiden, wie, wo und wann geholfen werden kann. Im Idealfall entstehen Hilfsprojekte in Eigenregie genau dort, wo sich Helfer*innen zusammenfinden und diese Hilfe auch benötigt wird. Aber genau die Probleme der Gesellschaft im Bereich ehrenamtlichen Engagements spiegeln sich auch im Kontext der Hochschule. Davor, diese zu sehen und zu reflektieren, sollte sich nicht entzogen werden. Einfach auch, um anhand der eigenen praktischen Umsetzung, ergänzend zur Theorie, zu zeigen, wie es besser gelingen kann. Wie sich Aufgaben von wenigen Schultern auf viele verteilen lassen. Sei es als Multiplikator*in, als Anbieter*in von Raum zur Ideenentwicklung, als Dokumentar*in, als Aufklärer*in, als Ratgeber*in oder Unterstützer*in. Die „Fesseln“ eines modularisierten Studiengangs sind nicht so eng, wie es uns argumentativ manchmal ganz recht ist.

Die Vielschichtigkeit des Austauschs kann an dieser Stelle nicht umfänglich wiedergegeben werden. Viele Denkanstöße müssen fortgeführt und weiterentwickelt werden. Die Lehren aus dem Umgang mit den jüngsten Krisen können gezogen werden.

Es braucht Ideen, wie in Zukunft mit Krisen und Katastrophen umgegangen wird.

Es braucht Expert*innen für die damit einhergehenden sozialen Herausforderungen.

Es braucht ehrenamtliches und zivilgesellschaftliches Engagement, um einen Beitrag zur Verhinderung zu leisten.

Es braucht gute und professionell agierende Sozialarbeiter*innen.

Gute Sozialarbeiter*innen brauchen eine gute Hochschule, die dabei hilft, die notwendigen Kompetenzen zu entwickeln und Probleme zu erkennen und anzugehen.

Im Juli 2022

Roberto Beissel

Student 2. Semester Soziale Arbeit (TZ)

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